Sind wir nicht alle einmal verliebt in eine Zeit, in die wir uns hinein wünschten? Sei es in die Zukunft mitsamt abgespaceter Fantasien um fliegende Autos und sprechenende Roboter, sei es in die Gegenwart und die Entdeckung einer anderen Welt oder eben in die Vergangenheit, in träumerische Jahre und ein völlig anderes Leben. Nicht selten ist es die Illusion, die Reise verspreche ein besseres, aufregenderes Leben. Und genau darum geht es in Woody Allens neuestem Streifen “Midnight in Paris“.
Denn dieses Verlangen hat auch Protagonisten Gil, gespielt von Owen Wilson, der in die Welt der 20iger eintauchen will. In Paris und im Regen. Für einen Kurztrip geht es für ihn samt seiner Verlobten Inez und ihren Eltern in die Stadt der Liebe. Eine Geschichte voller Witz und Klischees um amerikanische Engstirnigkeit und künstlerische Leichtigkeit beginnt und wird zu einer surrealen Komödie. Gil findet irgendwann seinen Weg, vorbei an der oberflächlichen, amerikanischen Sippe, die ihn weder ernst nimmt, noch etwas zutraut – und wir dürfen ihn auf seinem märchenhaft lustigen Abenteuer begleiten.
Gil scheint der einzige in seiner Familie, der auf der Suche nach seinem Glück ist, seinen erfogreichen Job als Filmemacher aufgegeben hat und nun seinen ersten Roman zu Papier bringen will – eine Story über die Goldenen Zwanziger in Paris.
Ein Treffen mit Inez’ altem Bekannten, dem Besserwisser Paul, gibt Gil den Rest, denn der Typ wird zum Nebenbuhler und glaubt die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben – untermauert sein Wissen mit seiner Professur an der Pariser Universität Sorbonne und scheint der perfekte Traummann für Inez, die immer wieder zu ihm hochschaut. Total betrunken nach der Weinprobe erkennt Gil, dass er das fünfte Rad am Wagen ist und beschließt, allein nach Hause zu gehen und den Clan ohne ihn feiern gehen zu lassen. Orientierungslos, irgendwo in Paris an einer steinernden Treppe passiert es nun zum Mitternachtschlag der Uhr: Ein eleganter Oldtimer liest ihn auf und nimmt ihn mit in die Vergangenheit. Was dann passiert wird zum surrealen Abenteuer für den Träumer: Er tanzt mit den Fitzgeralds, quatscht mit Hemingway, gibt Gertrude Stein sein Erstlingswerk zum Lesen und spannt Picasso seine Liebschaft aus. Er taucht fortan in jene Epoche, in der so viele Künstler lebten, die der Autor zu seinen absoluten Vorbildern zählt und nun hautnah erleben darf. Praktisch findet er sich in einem Traum wieder, in einem Wunsch, den er nicht mehr hergeben mag und ist ab sofort jede Nacht um Mitternacht zum Abholen bereit.
Eine Hommage an die wunderschöne Stadt Paris, ein kleiner Ausflug in die französische Kunstgeschichte und ein Märchen aus Wünschen und Leidenschaft. Woody Allens Werk ist nicht tiefgründig, sondern absurd und unrealistisch, und ist gerade deswegen einfach umwerfedn. Wir jedenfalls wurden gestern Abend mitgenommen in eine andere Welt, die umsäumt mit jazzigem Soundtrack, tollen Kostümen und großartigen Schauspielern zu einer wunderhübschen Träumerei wird. Lustig ist’s Dank Owen Wilson eh und wahnsinnig schön wird’s Dank Rachel McAdams und der zauberhaften Marion Cotillard ebenfalls.
Und obwohl sogar Präsidenten-Gattin Carla Bruni als Fremdenführerin mitspielt, wird’s kein Filmchen, das nur durch Prominente Besetzung besticht, sondern ein nostalgisch-amüsantes Kinoerlebnis, das die Liebe zu Paris auf eine wunderbar unkitschige Art und Weise zelebriert und gleichzeitig mit der Illusion spielt, ein anderes Leben sei schöner als das eigene.
Wir können euch diesen träumerischen Ausflug also nur ans Herz legen und empfehlen euch einen kuscheligen Kino-Abende mit Salvador Dalí, Pablo Picasso und Ernest Hemingway.
Aber schaut selbst: